Decent Shit
Karoline Schreiber zeichnet ihren eigenen Kot mit Kugelschreiber auf Papier. Das Resultat führt mit der Akribie eines Naturstudiums die skulpturale Formenvielfalt vor Augen, die der Darm täglich ohne Zutun unseres ästhetischen Bewusstseins produziert.
Der Ekel vor Exkrementen verunmöglicht, in diesen kleinen Landschaften Schönheit zu erkennen. Dagegen erlaubt uns die Serie „Decent Shit“ einen vorurteilsfreien Blick auf die karge und brachiale Pracht vom Motiv. Die Künstlerin reagiert damit auch auf die launigen Kommentare, die oft in Bezug auf Kunstwerke gemacht werden, die man nicht mag oder nicht versteht, und welche man anstelle einer Reflexion kurzerhand als „Scheisse“ abtut, obschon diese das erste und letzte plastische Produkt ist, das ein Mensch ganz aus sich selbst hervorbringt.
Saaltext, Werk- und Atelierstipendien, Helmhaus, Zürich, 2016
Foto: David Aebi
Monographie Eintrag:
Karoline Schreiber zeichnet menschliche Exkremente mit Kugelschreiber auf Papier. Die dreißig Kotkegel führen mit der Akribie eines Naturstudiums die skulpturale Formen- vielfalt vor Augen, die der Darm täglich ohne Zutun unseres ästhetischen Bewusstseins produziert. Der Ekel verunmöglicht es uns im Alltag, in diesen kleinen Landschaften Schönheit zu erkennen. Dagegen erlaubt uns die Serie Decent Shit einen vorurteilsfreien Blick auf die karge und brachiale Pracht des Motivs, sichtbar gemacht vom Kunstsinn des Kugelschreibers. Mit dieser Hommage an den Stuhl reagiert Schreiber auch auf die gelangweilten Kommentare, die oft über Kunstwerke gemacht werden. Anstelle einer Reflexion wird Unverstandenes kurzerhand als „Scheiße“ abgetan, obschon diese doch immerhin das erste und letzte plastische Produkt ist, das ein Mensch ganz aus sich selbst hervorbringt.
Karoline Schreiber draws human excrements with a ballpoint pen on paper. With the metic- ulousness of a nature study, the thirty curls of feces visualize the variety of sculptural forms that the intestines produce each day without the aid of our aesthetic awareness. The disgust makes it impossible in day-to-day life for us to recognize beauty in these small landscapes. The series Decent Shit, in contrast, enables us to take an unbiased look at the austere and brutal splendor of the motif, made visible by the pen’s taste for art. With this homage to feces, Schreiber also reacts to the dull commentaries that are often made about works of art. Instead of reflecting, not understanding is summarily dismissed as “shit,” even though
it is actually the first and last sculptural product that a person produces completely on his or her own.